Wer sich schon jemals ein gebrauchtes Fahrzeug gekauft hat, der hat wahrscheinlich festgestellt, dass er das bei den gewerblichen Händlern zumindest über einen Vertrags- und einen freien Händler machen kann.
Sprechen wir jedoch von der Gesamtheit des Fahrzeug- und Teilehandels sowie der Werkstätten, so kratzt man mit diesen zwei Varianten gerade einmal an der Oberfläche. Denn in der Praxis existieren deutlich mehr Vertriebsmodelle – selbst wenn sich einige davon nur in wenigen, aber relevanten Details unterscheiden.
Das Wichtigste für Dich in Kürze:
- Im Kfz-Bereich existieren gerade für Laien überraschend viele Vertriebsmodelle
- Fast immer sind die einzelnen Besitzer zwar formal freie Kaufleute oder Mechatroniker, jedoch gibt es häufig eine gewisse Bindung
- Hauptgrund für die Unterschiede sind Faktoren wie wirtschaftliche Zielsetzungen, Marktbeherrschung und nicht zuletzt finanzielle Leistungsfähigkeit
Franchising als häufige Basis
Fahrzeuge, Ersatzteile sowie das für Reparaturen notwendige Fachwissen sind ein enorm schwergewichtiges Wirtschaftsgut. Beispielsweise gibt es auf manche Fahrzeugteile Patente, sie dürfen also nur von dem Patent-besitzenden Unternehmen oder lizensierten Dritten gefertigt werden.
Hinter vielen Vertriebsmodellen im Kfz-Bereich steht deshalb ein irgendwie geartetes Franchising, wie es auch außerhalb der Fahrzeugbranche in zahlreichen Sparten genutzt wird. Das hat in der einfachsten Variante zwei Partner:
Franchise-Geber:
Er besitzt ein irgendwie geartetes Geschäftskonzept, dazu gegebenenfalls die Rechte an Markennamen und anderen geschützten Elementen.Franchise-Nehmer:
Er ist ein rechtlich und finanziell selbstständiger Unternehmer. Indem er sich vertraglich an den Franchise-Geber bindet, darf er dessen Geschäftskonzept, Knowhow und Rechte entgeltlich verwenden, muss sich aber meist im Gegenzug an gewisse Vorgaben halten.
So zumindest das klassische Vorgehen, wobei die Enge der Bindung sich in der Praxis stark in den Details unterscheidet. Jedoch: In keiner Konstellation hat der Franchise-Nehmer die Freiheit, so schalten und walten zu können, wie es andere Selbstständige vermögen. Franchise-Geber bieten daher spezielle Tests an, mit deren Hilfe (angehende) Selbstständige herausfinden können, ob dieses Konzept sich für sie persönlich eignet. Das hilft letztlich beiden Seiten, indem nur solche Selbstständige zu Franchise-Nehmern werden, die von dem System wirklich überzeugt sind und es sowie ihre Rolle darin umfassend verstehen.
Doch welche Vertriebsmodelle lassen sich denn im Kfz-Bereich unterscheiden? Es sind vor allem die folgenden Varianten.
Vertragshändler und -werkstatt
Der Vertragshändler ähnelt wohl am stärksten dem „puren“ Franchise-Prinzip. Einmal mehr ist er ein rechtlich völlig selbstständiger Unternehmer. Heißt, alles, was er macht, geschieht im eigenen Namen, auf eigenes Risiko und auf eigene Rechnung.
Im Kfz-Bereich sind Vertragshändler das wichtigste Zwischenglied zwischen den Herstellern auf der einen und den Kunden auf der anderen Seite:
- Für die Hersteller ist der Vertragsnehmer sozusagen der „verlängerte Arm“. Er sorgt dafür, dass diese ihre Waren verkaufen können, darf Markennamen nutzen, hat mitunter sogar Alleinvertriebsrechte, bekommt beispielsweise Teile oder Diagnosewerkzeuge bevorzugt, wird aber im Gegenzug rechtlich eng gebunden. So darf ein typischer Auto-Vertragshändler beispielsweise, wenigstens bei den Neufahrzeugen, nur Fahrzeuge des Herstellers verkaufen. Eine Vertragswerkstatt hat analog dazu wahrscheinlich nur wenige Freiheiten beim Ersatzteilekauf, zumindest außerhalb generischer Dinge wie etwa Betriebsflüssigkeiten oder Leuchtmittel.
- Für die Kunden ist der Vertragsnehmer ein kompetenter, mitunter sogar der regional einzige Ansprechpartner. Insbesondere bei Werkstätten ist die Expertise bei Modellen des Herstellers enorm. Viele Jahre lang durften sogar nur Vertragswerkstätten das Scheckheft ausfüllen. Oftmals sind sie durch ihre (Quasi-)Monopolstellung jedoch nicht die günstigste Alternative.
Rein rechtlich ist es oftmals schwierig, eine echte Grenze zwischen Vertragshändler und sogenanntem Handelsvertreter zu ziehen. Das ist aber dann eher ein für Kunden weniger relevantes Detail.
Lizenznehmer
Sieht aus wie eine Vertragswerkstatt, verkauft Neuwagen wie ein Vertragshändler – ist aber keiner. Bei einem Lizenzsystem handelt es sich in der Praxis sozusagen um „Franchise Light“. Bedeutet, der selbstständige Unternehmer erwirbt nur das Recht, bestimmte Besitztümer des Lizenzinhabers zu verwenden, etwa ein Markenname.
Ungleich zum Vertragshändler ist die Bindung jedoch deutlich weniger straff. Meist gibt es seitens des Lizenzinhabers keinen so großen Support, dafür kann dieser jedoch auch keine so große Kontrolle ausüben.
Für den Kunden ist dieses System etwas kniffliger. Denn es entsteht rasch der Eindruck eines Vertragspartners mit allen qualitativen Vorteilen, obwohl das Unternehmen in Wahrheit sehr viel stärker nach eigenem Gusto operieren kann – ohne sich beispielsweise an spezielle Reparaturvorgaben des Herstellers halten zu müssen.
Filialsystem
Bei den bisher genannten Varianten gab es ein einheitliches Merkmal: Im Hintergrund steht ein großes Unternehmen, meist sogar ein Konzern. Womit der Kunde interagiert, ist jedoch ausnahmslos ein rechtlich und finanziell eigenständiges Unternehmen. Heißt, der Konzern darf gewisse(!) Dinge vorschreiben und erhält Geld, aber er hat keinen größeren Einfluss auf die Details des Daily-Business. Ebenfalls handelt es sich um zwei rechtlich vollkommen getrennte Unternehmen, die nur durch einen Kooperationsvertrag gebunden sind.
Das Filialsystem ist dagegen völlig anders ausgebaut. Hier gibt es zwar ebenfalls mindestens zwei Akteure, aber der große Unterschied: Die Filiale (bzw. Zweigstelle, jedoch keinesfalls Tochterfirma) ist rechtlich und finanziell nicht selbstständig. Wohl wird sie von einem eigenen Filialleiter geführt. Der ist jedoch kein selbstständiger Unternehmer, sondern lediglich ein Angestellter des Stammunternehmens. Ebenfalls tritt die Zweigstelle im Daily Business selbstständig auf, ist aber nicht selbstständig.
Denn der dahinterstehende Konzern besitzt die Filiale und kann absolut alles vorgeben – dafür geschieht jedoch auch alles auf sein Risiko. Für den Kunden hat das den Vorteil, es buchstäblich immer mit demselben Unternehmen zu tun zu haben, bloß eben an unterschiedlichen Standorten.
Es geht jedoch noch komplexer: In all den zuvor genannten Systemen steht es den -Nehmern vielfach frei, ebenfalls eigene Filialen zu gründen. Das kann dann beispielsweise zu folgender Konstellation führen:
- Autohersteller mit Sitz in A
- Vertragshändler mit Sitz in B
- Filialen des Vertragshändlers in C, D und E
Tochterfirma
Die Tochterfirma oder -gesellschaft trägt mehrere Merkmale, die sowohl mit einer Filiale als auch beispielsweise einem Vertragspartner vergleichbar sind:
- Der Mutterkonzern gründet (oder erwirbt) die Tochter und kann ihr sehr weitreichende Vorgaben machen und Unterstützung bieten.
- Die Tochtergesellschaft arbeitet jedoch trotzdem als ein rechtlich selbstständiges Unternehmen mit allen Konsequenzen.
Wer sich nun fragt, warum eine Firma sowas macht: Es ist ein ganz typisches Mittel, wenn der Mutterkonzern in verschiedenen Bereichen agiert, aber diese besser voneinander abtrennen möchte – mitunter sogar, um sich ein bisschen gegenüber dem Kunden zu verschleiern.
Zwei Beispiele dazu für besseres Verständnis:
- Ein großer Ersatzteilhändler gründet zwei Tochterfirmen. Die eine fungiert als reine Kfz-Werkstatt, die andere vertreibt zwar wie die Mutter nur Ersatzteile, allerdings nur solche einer besonders günstigen Linie.
- Der Besitzer eines Autohauses möchte mittel- bis langfristig das Gebrauchtwagengeschäft outsourcen und sich nur auf Neuwagenhandel und Reparaturen fokussieren. Im ersten Schritt gründet er deshalb eine Tochter, die nur für die Gebrauchten zuständig ist. Da es sich um ein von allein „lebensfähiges“ Unternehmen handelt, hat er später viel weniger Probleme damit, einen Käufer zu finden und muss keine Strukturen mehr aus seinem bestehenden Betrieb ausgliedern.
Genossenschaft bzw. Kooperation
Einer für alle, alle für einen. Getreu dem bekannten Motto der drei Musketiere arbeitet auch eine Genossenschaft bzw. Kooperation. Zentrale Merkmale:
- Es handelt sich immer um rechtlich und wirtschaftlich vollkommen eigenständige Firmen, meist auf Augenhöhe.
- Vielfach haben die Betriebe bereits jahrelang erfolgreich operiert, bevor sie sich zusammenschlossen – wenngleich eine Gründung als Genossenschaft durchaus möglich
- Wichtigster Wesenskern ist eine gemeinsam größere wirtschaftliche Schlagkraft.
Nehmen wir einmal an, in einer Stadt gibt es insgesamt zehn selbstständige PKW-Werkstätten. Alle davon spezialisieren sich auf unterschiedliche Marken, haben unterschiedliche Schwerpunkte. Dennoch gibt es diverse Gemeinsamkeiten.
Beispielsweise müssen alle davon bei einem Großhändler Motor- und Getriebeöl einkaufen. Oder sie bilden im Kfz-Bereich aus, aber keine der örtlichen Berufsschulen bildet den dafür nötigen theoretischen Teil ab – die Azubis müssen in entferntere Städte pendeln.
In solchen Fällen könnten sich die Werkstätten zu einer Genossenschaft zusammenschließen. Alles darin geschieht auf freiwilliger, demokratischer Basis, die Firmen bleiben eigenständig. Dennoch können sie durch das gemeinsame Auftreten erheblich größere Schlagkraft entwickeln. Um die genannten Beispiele fortzuführen, könnten sie bei einem Mineralölkonzern erheblich bessere Konditionen aushandeln, als würde jede Werkstatt allein agieren. Oder sie könnten dem Kultusministerium Druck machen, damit es in einer der städtischen Berufsschulen Kfz-Lehrgänge einrichtet.
Eine von Deutschlands größten Kfz-Genossenschaften fing einst so an, um für eine kleine Handvoll Betriebe bessere Lieferbedingungen auszuhandeln. Mittlerweile wurde daraus ein Großeinkaufsverband mit Dutzenden Mitgliedern.
Freier Unternehmer
Last, but not least, kommen wir zum “einsamen Wolf“ im Bereich Autohandel, Reparatur und Ersatzteile, dem freien Unternehmer. Er hat niemanden über sich außer der Regierung, niemanden unter sich außer den Gesetzen. Er allein bestimmt absolut alles, was für sein Geschäft relevant ist, und macht es in Eigenregie.
Das ist fraglos die buchstäblich freieste Form des Unternehmertums. Gerade im Kfz-Bereich kann sie jedoch schwierig sein. Denn stets mangelt es an jeglicher Unterstützung. Gerade dort, wo es um Spezialelemente wie Diagnose-Softwares, Spezialwerkzeuge, Ersatzteile usw. geht, sehen sich „die Freien“ heutzutage immer häufiger vor Problemen – u.a., weil die großen Konzerne natürlich ihre Vertragspartner supporten möchten.
Während im Gebrauchtwagenbereich der freie Händler weiterhin die Speerspitze darstellt, sieht es beispielsweise bei den Werkstätten nicht mehr so rosig aus – ganz besonders, weil Elektronik und Digitalsysteme Fahrzeuge immer komplexer machen. Dadurch reicht es nicht mehr, bloß ein guter Mechaniker zu sein, sondern vielfach geht ohne vom Hersteller stammende Software, Hardware, Anleitungen usw. nichts mehr.
Zusammengefasst
Wer im Kfz-Bereich als Selbstständiger seinen Lebensunterhalt verdienen möchte, der muss sich nicht nur entscheiden, ob er das im Bereich Handel oder Handwerk tun will. Vielmehr ist es nötig, sich ebenso für das richtige Vertriebsmodell zu entscheiden. Denn davon hängt nicht nur die ganze Ausrichtung des Business ab, sondern letztlich sogar seine langfristige Erfolgschance in einem hart umkämpften Markt.
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